Prima Carnivora


2015
Paintings and Sculptures created by brownbears
Dimensions variable


Prima Carnivora 1
Prima Carnivora 2
Prima Carnivora 3
Prima Carnivora 4
Prima Carnivora 5
Prima Carnivora 6
Prima Carnivora 7
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Prima Carnivora 11
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Prima Carnivora 19
Prima Carnivora 20
Prima Carnivora 21
Prima Carnivora 22
Prima Carnivora 23
Prima Carnivora 24

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Prima Carnivora

400 kg of presence

Tea Mäkipää was assisting Finnish brown bears to create art. The paintings were transferred into graphic prints, staying true to the actual scale of the bears paw tracks.

The main celebrity of the painting / graphic series is Juuso - a 400 kg heavy young male bear and his mother Tessu.

Their enthusiasm to feel the material and anarchistic take on self-expression through painting was second to no contemporary artist. They painted with instinctive confidence, with detailed graphic style alla prima.

The paintings and graphics are proof of their joy of discovering art materials and the pleasure of experimenting and losing the inhibitions through direct act on the canvas.

Despite being loaded with superior physical power, the bears handled the paint with very fine and delicate motorics and delicacy.

The results show free and surprising compositions by dance-like strokes and pressings on the canvas.

Tea Mäkipää – Prima Carnivora

oder wie sich der Kreis schließt, wieder einmal

Tea Mäkipää bin ich erstmalig im Jahr 2009 begegnet.

Damals war ich auf der Suche nach solchen finnischen Künstlern, welche ich in eine größere internationale Ausstellung in der damals nach einer Restaurierung neuzueröffnenden Helsinkier “Taidehalli” einladen wollte. Vorausgegangen waren bereits eine Reihe von Jahren, in welchen ich immer mal wieder nach Finnland eingeladen worden bin, um die dortige Künstlerszene kennenzulernen. Dabei war ich auch bereits mehrere Male auf Spuren von Mäkipääs großartiger und immer sehr engagierter Arbeit gestoßen. Persönlich getroffen hatte ich sie aber nie, auch weil sie nicht in Finnland lebte und zudem sehr häufig an anderen Enden der Welt mit ihren großformatigen und aufwendigen Projekten beschäftigt war. Die Helsinkier Ausstellung, welche zu kuratieren ich eingeladen worden war, sollte eine internazionale, keine rein finnische Ausstellung werden, und zum Thema konnte ein mir mehr und mehr als wichtig erscheinendes Sujet werden, welches auch zum Titel der Ausstellung wurde: “Borders and Beyond”.

Was ich auch gesehen, getan und begleitet hatte in all den Jahren, seit ich mich mit zeitgenössischer Kunst beschäftige, in Theorie und Praxis, in der Kuratela wie in der Lehre hatte grundsätzlich immer wieder das gleiche Anliegen. Ich suchte in allererster Linie nach Kunst von solchen Künstlern, die sich in ihrer Arbeit und infolgedessen auch in ihren Leben ganz natürlich an Grenzen heranwagen, Künstler, die sich weigern, eher bequeme Kompromisse einzugehen, die nicht auf alle Kosten die immer “richtigen” Schritte zu ihren Karrieren im Auge haben, sondern die allein mit großer Ernsthaftigkeit ihre Arbeit verfolgen und ausschließlich das tun, was sie tun “müssen”. Kurz Künstler, welche sich ganz folgerichtig auch nicht scheuen würden, ihre eigenen, inneren wie auch alle möglichen anderen bestehenden Grenzen, die es in dieser ziemlich großen und relativ unfriedlichen Welt nur geben kann, zu überwinden.

Bei unserem realen Treffen wußte ich es sofort, daß Tea Mäkipää genau zu jenen Künstlern gehört, die mich am meisten überzeugen und berühren. Das große gesellschaftlich-ethische Engagement und die Ernsthaftigkeit ihrer Arbeit, die ganz erstaunliche Komplexität, welche die meisten ihrer Arbeiten mit sich bringen, wie etwa enorm lange Forschungs- und Vorbereitungszeiten – all das beeindruckte mich aufs Höchste, und es stand für mich auf Anhieb außer Frage, daß sie zu genau solch unbeirrbaren “Borders and Beyond”-Künstlern gehörte, nach denen ich noch immer so unablässig suche - selbst wenn sie letztendlich aus Zeitmangel an dieser spezifischen Ausstellung doch nicht hat teilnehmen können.

Sogar ihre damalige sorgfältig abgewägte Absage, vor allem beruhend auf Mäkipääs großer Ruhe und verantwortungsbewußter Professionalität, anstelle etwa des einfachen Kompromisses, mit einer bereits bestehenden Arbeit teilzunehmen, nur um auch “dabei sein zu können”, entsprach genau dieser so sehr von mir geschätzten linearen und ehrlichen, eigentlich irgendwie “moralischen” Arbeitsweise.

Ich hoffte es, aber ich wußte es auch genau, daß wir früher oder später weitere Gelegenheiten zur Zusammenarbeit finden würden. Von nun an verfolgte ich Tea Mäkipääs Arbeit mit gesteigerter Aufmerksamkeit.

Ich wußte von ihrem Interesse an der Natur und einem – in meinem Verständnis irgendwie Beuysschen Streben nach der Harmonie im Zusammenleben zwischen Mensch, Tier und Pflanzen. Ich habe auch den Eindruck gewinnen können, daß sie, seit es um das Wechselspiel zwischen Mensch und Tier geht, weit weniger apokalyptisch als in vielen früheren Werken arbeitet, daß sie mit diesen Themen weniger hart und drastisch umgehen muß, sondern irgendwie liebevoller und wohl auch mit größerer Hoffnung auf eine bessere mögliche Zukunft verbunden, oder auch zum Teil wesentlich ironischer und spielerischer - wenn ich beispielsweise an das Linzer Projekt “Our Common Problem: People” denke. Ich hörte, daß sie vor einigen Monaten in Australien zu einer wahren Forscherin von vor dem Aussterben bedrohten Tierarten geworden ist. Und irgendwie scheint mir das monumentale, 2005 zur EXPO in Japan gezeigte “World of Plenty”, eine wunderbar idealistische – wenngleich auch recht utopisch zu nennende und genau deshalb auch sehr wenig lebendig wirkende – vorwegnehmende Vision von solch einem friedlicheren zukünftigen Zusammenleben zwischen den Arten zu sein, welcher die Künstlerin sich aber nun in kleinen Schritten ganz real anzunähern versucht. Und wie so oft, wenn dies nicht ein Künstler vorlebt, wer dann?
Auf jeden Fall war ich vollkommen elektrisiert, als ich vor einiger Zeit von Tea Mäkipääs “Prima Carnivora”-Projekt erfuhr. Eine Zusammenarbeit mit Bären, großen wilden Braunbären, welche Bilder malen und Skulpturen bearbeiten sollten?

Eigentlich wunderte es mich aber auch überhaupt nicht mehr, als ich begann, mich näher mit dieser Arbeit zu beschäftigen. Finnland, Tea Mäkipääs Ursprungsland ist mit Abstand eines der bärenstärksten Länder Europas – ein Bär ist sogar sein Wappentier, und alle möglichen Sagen und Märchen für die halbe Weltbevölkerung verbinden sich mit diesem schon bei jedem Kind beliebten tolpatschigen “König der Tiere”. Trotzdem, auch der Bär ist vom Aussterben bedroht, weltweit gibt es nicht einmal mehr 200.000 Exemplare Braunbären, und in Finnland selbst ist es noch immer völlig normal und legal, jährlich eine größere Anzahl an Tieren zu erschießen. Nun, trotz all dieser Vorausetzungen - für ein künstlerisches Projekt mit echten “Carnivora” zu arbeiten, großen schweren Raubtieren mit beeindruckenden Beißvorrichtungen, vor welchen die meisten Menschen einen großen Respekt haben, denn sie können auch gefährlich werden, vor allem, wenn sie sich bedroht fühlen und wenn sie Junge haben - das war nun noch einmal etwas anderes als das Beobachten von australischen Nagern und dergleichen mehr.

Bereits vor ihrem bereits erwähnten Tiererforschungs-Künstlerresidenz-Aufenthalt in Australien ist Mäkipää zweimal in Finnland gewesen, in einer Art “Reservoir” in Kuusamo, welches sich den Waisen von erschossenen Braunbären angenommen hat und wo diese dann, zwar gezähmt, denn von klein an gewohnt, mit Menschen umzugehen, aber doch relativ artengerecht und in großer Freiheit gehalten werden. Dort hat sie die Tiere zunächst zu beobachten gelernt, sie hat ihre ungewöhnliche Delikatheit und Fingerfertigkeit bemerkt und studiert, und zwei der Bären – eine Mutter und ihr Junges – sind ihr als besonders spielerisch und “kreativ” empfohlen worden. Ich sehe also mit Erstaunen und Entzücken Videomaterial, auf welchem zwei Exemplare dieser großen finnischen Braunbären ohne Scheu auf von der Künstlerin mit verschiedenen Malfarben ausgestattete Holztafeln auf einem Tisch steigen und sodann sowohl im Spiel mit den honigbestrichenen Händen Mäkipääs oder auch angelockt von kleinen bereitgestellten Honigtöpfchen und aus diesen leckenderweise sich mit und auf den Farben betätigen oder sich auch nur genußvoll auf dem mittlerweile farbenfroh durcheinander gemischten und glitschigen Untergrund herumrollen und sowohl Tatzen- wie auch sonstige Körperabdrücke auf den “Malgründen” hinterlassen. Ja, es werden auch die Fellzotteln der Tiere hier zu Pinseln oder Bürsten, welche die im Folgenden durch die Künstlerin immer wieder ausgewechselten Holzplatten infolgedessen in farbenprächtige abstrakte Gemälde verwandeln. In diesem Falle – ist man bereit, spielerisch eine Art Rollentausch zwischen Mensch und Tier mitzudenken – hat also die Künstlerin eine Art Assistentenrolle inne, und Protagonist ist zweifelsohne der Künstlerbär. Auch eine spontane Assoziation zu Yves Kleins frühen Performances, bei welchen nackte und mit Farbe bestrichene Modelle auf weißen Maluntergründen vom Künstler hin- und herbewegt wurden, bis es zu jenen bekannten und selbstverständlich “Klein-blauen” Körperabdruckbildern kam, sei durchaus erlaubt. Zunächst wohl noch ein wenig verblüffend wirkt es für den Beobachter, wie diese schweren Riesen tatsächlich Spaß zu haben scheinen an ihrer eigenen “künstlerischen” Performance, aber sie scheinen auch nach einer Weile ebenso gern wieder herabzusteigen von ihren Aktionstafeln und ein frisches Bad zu nehmen, um sich von der überschüssigen Farbe auf dem braunen Fell zu befreien. Und es ist ebenfalls sehr schön zu verfolgen, wie sich Juuso und Tessu mit der gleichen erstaunlichen Zartheit, Neugierde sowie mit Schwung, ja fast Eleganz durch eine von der Künstlerin aufgebaute Installation aus frischen ungebrannten Tonköpfen (menschlichen wie tierischen) hindurchbewegen, diese zuerst beschnüffeln, dann mit der Schnauze und dann auch mit den Tatzen die weiche Masse berühren und dabei natürlich auch verändern. Erstaunlich für uns, die wir keineswegs an einen täglichen Umgang mit Bären gewöhnt sind – von unseren Hauskatzen und -Hunden kennen wir dies immerhin schon – sind hier all diese spielerisch anmutenden Gesten und die augenscheinliche Neugierde, die reine Materie zu manipulieren schon sehr. Und natürlich sind auch die durch das vielfältige Einwirken der Bären - das Reiben, Umherwälzen der schweren Körper - und durch Tatzenbehandlung entstandenen “Maltafeln” zum Teil verblüffend schön in ihren leuchtend buntfarbenen, eher abstrakten Farbkompositionen auf der weißgrundigen Holztafel – auch wenn derlei Ergebnisse jetzt natürlich nicht als das Entscheidende dieser künstlerischen Arbeit zu nennen sind. Selbst wenn diese Produkte theoretisch als Teile einer “Aktion” der Künstlerin Mäkipää auch einen gewissen Marktwert erringen könnten. Ähnlich wie es in den ’90er Jahren die Bilder der für das russische Künstlerduo Komar und Melamids malenden Elephanten tatsächlich auf einer Auktion zu relativ hohen Verkaufserlösen gebracht haben, mittels welchen dann – und das war der hauptsächliche Sinn der damaligen Aktion der beiden Russen – die gesamte Existenz der Elephanten in Thailand sowie ihrer Elephantenhalter selber weiterhin garantiert blieb.

Aber Tea Mäkipää geht es um etwas anderes.

Wie in einer weiteren Beweisführung dafür, wie wenig wir Menschen ja im Grunde von unseren “Companion-Species” - ein von der amerikanischen Naturwissenschaftshistorikerin und Biologin Donna Haraway geprägter Begriff zur These der Interaktion mit unseren “Mit-Lebewesen” -, den Tieren wissen, wurde diese wunderbare Kunstaktion durchgeführt und hier den Bären sozusagen für ein Weilchen der Status von “Künstlern” verliehen.
Tatsächlich geht es aber noch einmal sehr eindringlich um den Respekt vor den Tieren, um einen Lernprozeß unsererseits all diesen anderen Wesen und ihren Eigenschaften und Fähigkeiten gegenüber, um eine kleine weitere Stufe in Richtung einer Welt, welche sich gegenseitig besser zu verstehen versucht.

Agnes Kohlmeyer
Venedig, Sommer 2014